Auf der
Bühne vereint
Viele Kinder bekannter DDR-Rockgrößen machen inzwischen selbst
Musik - mit ihren Vätern
Berliner Zeitung 06.03.2003
von Thorsten Wahl
Vier Musiker sitzen im engen Probenkeller in Zepernick,
nordöstlich von Berlin, einträchtig nebeneinander: Hannes am Schlagzeug,
Bodi an der Orgel. Cäsar greift sich die Gitarre, Moe den Bass. Erst
auf den zweiten Blick fällt auf, dass hier zwei Generationen zusammen spielen, Wolfram "Bodi" Bodag,
Kopf der Gruppe Engerling, ist der Vater von Hannes
Schulze, Moritz "Moe" Gläser der Sohn des legendären Gitarristen Peter "Cäsar" Gläser. Das Quartett hat seine familiären Bande zum Programm gemacht, tritt unter dem Namen "Väter & Söhne" auf. Auffällig oft spielen heute mehrere Söhne von Musikern aus DDR-Rockbands zusammen - da die Szene recht überschaubar war,
jeder jeden kannte, schlossen auch die Kinder ihre Kontakte. Nicht nur bei
"Väter & Söhne" stehen mehrere Generationen
auf einer Bühne: Der Erfurter Bluesgitarrist Jürgen Kerth spielt
schon seit Mitte der achtziger Jahre mit seinem Sohn Stefan am Bass, Hans-Eckardt
Wenzel singt zusammen mit seiner Tochter Karla.
Es scheint, als würden sich die Kinder der DDR-Musikgrößen
nicht von ihren Eltern abgrenzen wollen. Moe Gläser und Hannes Schulze
sagten jedenfalls gleich zu, als ihnen ihre Väter anboten, zusammen
eine Band aufzumachen. Auf einem Bluesfestival im Thüringischen
waren die vier in drei verschiedenen Bands aufgetreten - Cäsar mit
seiner Band, Bodag mit Engerling und Hannes und Moe mit Bluestift. Cäsar
und Bodi hatten schon früher in Bandprojekten wie der Amiga
Blues Band und der Blankenfelder Boogie Band zusammengespielt.
Frühes Interesse an der Musik
Beide Söhne wurden von ihren Vätern nicht etwa früh zum
Musikmachen erzogen - es ergab sich einfach. "Bei uns in Zepernick probte
die Blankenfelder Boogie Band", erinnert sich Hannes Schulze, dessen Mutter
Rose im Haus ihr Atelier hat. "Wenn die Großen
nicht mehr da waren, hab ich mich heimlich ans Schlagzeug gesetzt." Zum
14. Geburtstag bekam er sein eigenes. Trotzdem übte Wolfram Bodag keinen
Druck auf seinen Sohn aus, auch Musiker zu werden. "Im Gegenteil
- ich hab immer gesagt, lerne etwas Ordentliches", spielt Bodag augenzwinkernd
den strengen Vater. "Naturwissenschaften wie Physik hat er beim Abi abgewählt
und nun will er Tonmeister werden."
Auch Moe Gläser, der im Quartett den Freak spielt,
findet es geil, mit einem Gitarristen wie Cäsar Gläser zusammenzuspielen.
Dabei war er noch gar nicht geboren, als sein Vater bei der später
verbotenen Klaus-Renft-Combo spielte. Moe und Hannes
betonen, dass nicht die "Musiker-Gene" verantwortlich für ihr Musikmachen
seien, sondern die offene Atmosphäre im Elternhaus, in der jeder neugierig
auf den Musikgeschmack des andern blieb. "Er kam immer mal und fragte mich:
Wie geht denn dieser Griff? Dann verschwand er wieder in seinem Zimmer",
erinnert sich Peter Gläser. Mit seinem großen Sohn Robert stand
Gläser schon Ende der 80er Jahre auf der Bühne. Damals hatte er
einen Ausreiseantrag gestellt, keinerlei Ambitionen mehr in Richtung
Radio oder Platte, sondern stieg zum Zeitvertreib in die Schülerband
des damals 17-Jährigen ein.
Zu DDR-Zeiten spielten das väterliche Equipment
und die Kontakte noch eine größere Rolle. Andy Birr und Hendrik
Röder, die zehn Jahre später mit Bell, Book und Candle die Charts
stürmten, machten mit ihrer Band Rosalili erste Aufnahmen im Studio
ihrer Väter Dieter Birr und Peter Meyer von den Puhdys. Marcus Fritzsch
hockte schon als kleiner Junge im Studio seines Vaters und Dominique Lacasa
besang zusammen mit ihrer Schwester Odette und ihren Eltern sogar das meistverkaufte
DDR-Album aller Zeiten: "Weihnachten in Familie". Damit führten die
Schwestern eine Familientradition weiter: Ihre Großmutter war eine
bekannte Opernsängerin.
Erfolgreich ohne Protektion
In den 90er aber erspielten die Musikerkinder ihre
Erfolge ohne jede Protektion. Die Leute bei den Musiksendern MTV und Viva,
die 1999 den Song "Babe" von Maladment rotieren ließen, kannten weder
die Nachnamen noch die Väter von Rob Protzmann und Basti Reznicek.
Das Debütalbum von Bell, Book & Candle bekam auch Platin in Schweden
und in der Schweiz - dort sind die Puhdys kaum ein Begriff.
"Väter & Söhne" haben keinerlei Charts-Ambitionen,
sondern wollen einfach "geile Muggen" spielen, wie sie sagen. Alle vier
betonen ihre Gleichberechtigung. Spieltechnisch können
die Väter den Söhnen nichts mehr vormachen. "Die sind eigentlich
zu gut für uns", flachst Bodi Bodag. Jeder bringt Songs ein und singt
sie auch - keineswegs wird nur auf die Klassiker der Väter gesetzt.
Cäsar und Bodi spielen Songs des verstorbenen Liedermachers Gerulf
Pannach, die in ihren eigentlichen Bands keinen Platz hätten, Hannes
und Moe steuern Power-Rock-Balladen bei.
Ein Unterschied ist allerdings die Sprache: Moe und Hannes, der gerade
eine Weile in Australien war, singen meist auf Englisch,
Cäsar und Bodi ausschließlich Deutsch. "Wir Älteren bleiben
die Muttersprachler", meint Cäsar und guckt nachsichtig auf
die "Bengels".
Bell, Book & Candle am erfolgreichsten
Die Reihe der musizierenden
Rockmusikerkinder aus dem Osten ist lang. Moe Gläser und Hannes Schulze
spielen noch in der Bluesrockband Bluestift und in der Band "Sonnenbrand
& Hubschrauber" - hier singt Moes Halbbruder Robert Gläser.
Gleich drei Rockersöhne spielen zusammen in der Drum-Show Stamping
Feet: Sven Hertrampf, Sohn des Puhdys-Gitarristen Dieter Hertrampf, Nick Scharfschwerdt,
Filius des Puhdys-Drummers Klaus Scharfschwerdt und Sebastian Reznicek, Sohn
von Mona-Lise-Sängerin Lieselotte und von Jäcki Reznicek, Bassist
bei Pankow, Silly und Joachim Witt. Sebastian trommelte außerdem mit
Bassist Robert Protzmann, Sohn von Henning Protzmann, in der Crossoverband
Maladment, Nick ging als Drummer mit Modern Talking auf Tournee.
Als Popduo Two-Is-One sind Marcus Fritzsch und Dominique Lacasa zusammen,
deren Eltern allesamt Größen in der DDR-Popszene
sind. Marcus ist der Sohn von Arnold Fritzsch und Eva Diessner, die früher
bei der Gruppe Kreis spielten, Dominiques Eltern sind die Schlagerstars
Aurora Lacasa und Frank Schöbel.
Bisher am erfolgreichsten war das Trio Bell, Book
& Candle mit den Puhdys-Söhnen Andy Birr und Hendrik Röder.